Samstag, 7. September 2013

Fünfter offener Brief an die Intendantin des rbb, Frau Dagmar Reim – Widerspruch gegen den zweiten Gebühren-/Beitragsbescheid

Sehr geehrte Frau Dagmar Reim,

heute schreibe ich Ihnen meinen fünften offenen Brief, da wir unsere unterschiedlichen Positionen hinsichtlich der mir durch Ihre Landesrundfunkanstalt auferlegten Verpflichtungen zur Zahlung des Rundfunkbeitrages noch nicht einvernehmlich klären konnten. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen Sie bisher jegliche persönliche Stellungnahme bzw. jeden Kontakt vermieden haben. Wenn Sie mit einem Mitmenschen eine persönliche Angelegenheit klären wollen, dann erwarten doch auch Sie, dass Sie dies von Mensch zu Mensch tun können. Aktuell werde ich deshalb das Gefühl nicht los, dass ich es nicht mit Ihnen als Person zu tun habe, sondern mit einer anonymen Instanz, die maschinenähnlich handelt.

Ich biete Ihnen gern weiterhin meine Bereitschaft an, unsere unterschiedlichen Positionen gemeinsam persönlich zu diskutieren, um auszuloten, welche Lösungen Sie Mitbürger(innen) mit meiner Gewissenseinstellung unterbreiten können. Die von Ihnen im Interview mit Jörg Thadeusz (Veröffentlichung am 30.04.2013) präsentierte Möglichkeit der allgemeinen Befreiung vom Rundfunkbeitrag, abgesehen von Härtefällen, ist eine Farce (über die Sie sich auch noch amüsieren).

[Jörg Thadeusz] „Ihre Haltung zum Rundfunkbeitrag ist ja klar, aber ich muss Sie trotzdem noch einmal fragen. Aus der evangelischen Kirche, aus der katholischen Kirche kann ich austreten. Ich kann mich von der Kirchensteuer befreien. Ich kann mich jetzt schon überhaupt gar nicht mehr vom Rundfunkbeitrag befreien. Inwieweit ist das ...“

[Dagmar Reim] „Solange Sie eine Wohnung haben, Herr Thadeusz, wenn Sie die aufgeben ...“

[Jörg Thadeusz] „Okay – wie soll ich jetzt mit einer Tüte auf der Straße wohnen? – Na ja, gut, dann bin ich endlich frei.“

[Dagmar Reim] „Ja.“

Dagmar Reim erläutert im Interview mit Jörg Thadeusz unter anderem, wie es sich mit dem Rundfunkbeitrag verhält. © Bildnachweis Screenshot rbb


Vor einigen Tagen habe ich einen zweiten Gebühren-/Beitragsbescheid erhalten, ohne dass Sie auf meinen vorhergehenden Einspruch zum 1. Gebühren-/Beitragsbescheid Stellung genommen haben. Soll ich jetzt in einer rekursiven Zeitschleife verweilen, bis Sie gedenken, diese zu unterbrechen? Wie kann ich wissen, ob der 1. Bescheid, den Sie per Post übertragen haben und bei dem bestimmte Passagen zur Rechtshilfebelehrung nicht aufgeführt waren, rechtskräftig ist, ob wegen der Unvollständigkeit des Dokuments mein Widerspruch eine Bearbeitungsdauer von einem Jahr haben wird oder ob dieser Bescheid kein offiziell bindender Bescheid war, weil die erlassende Institution nicht eindeutig und zweifelsfrei erkennbar war? Benötige ich eine Fachexpertise, um diesen Verwaltungsvorgang zu verstehen? Das wäre absurd. Ihre Kollegen werden die Regelungen für die Ausstellung eines rechtsgültigen Bescheides mit Sicherheit kennen. Für mich ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Sie es Ihrerseits als notwendig erachten, so bürokratisch wie möglich zu handeln, damit die benannte Angelegenheit nicht zu einem zwischenmenschlichen Vorgang führt. Meinem Eindruck nach offenbart das Wort Staatsgewalt in diesem Zusammenhang auch eine andere, vielleicht „wahre“ Bedeutung.

Der komplexe Aufbau eines Bescheides ist für den Laien kaum verständlich. Wissenswertes dazu findet sich in dem Ratgeber für Verwaltungsangestellte „Der Bescheid“. © Bildnachweis Auszug von 2 Innenseiten des Buches „Der Bescheid – Form, Aufbau und Inhalt“, Dr. Helmut Linhart 



Im Rahmen der Rundfunkgesetze wird eine minimale Auswahl an Befreiungsmöglichkeiten benannt. Eine Befreiung aus Gewissensgründen wird nicht explizit erwähnt, deshalb ist für dieses Anliegen auch kein Befreiungsformular vorgesehen. Weil kein Befreiungsformular vorliegt, kann auch nicht befreit werden. Da gegen das eigene Gewissen zu handeln, um mit Ihrem Terminus zu sprechen, für mich einen „Härtefall“ darstellt, habe ich Ihnen meinen Befreiungsantrag formlos mit meinem ersten offenen Brief mitgeteilt. Da Sie auf mein Anliegen nicht im Detail eingegangen sind, geschweige denn mich befreit haben, tat ich dies schließlich selbst durch meine Proklamation. Dieses Vorgehen scheint in Ihrer Landesrundfunkanstalt, dem Rundfunk Berlin-Brandenburg rbb, zu Verarbeitungsproblemen zu führen. Wahrscheinlich, weil diese Form der Befreiung neu ist und keiner systemkonformen Vorgehensweise entspricht. Stellt meine Ablehnung aus Gewissensgründen die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor einschneidende Probleme? Ich vermute, ja, denn Sie müssen scheinbar alles daran setzen, die Stabilität der Rundfunkfinanzierung zu gewährleisten. So wie Sie dies am 6. März 2013 bei der 21. Sitzung gegenüber dem Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien erläuterten. Dort fragte Dr. Gabriele Hiller (Die Linke):

„ ... Für die Argumentation für uns als medienpolitische Sprecherin hätte ich gern die Abgrenzung zwischen Haushaltsabgabe, Gebühr, Steuer. Das eine Prozent, das keine Rundfunkempfänger sind, weder Handy, Internet oder Fernseher hat, das es also ablehnt, muss zahlen und macht den Vorwurf, dass es hier eine Zwangsabgabe gibt. Man könnte auch – – Ich will mich nicht auf eine Steuerdiskussion einlassen. Wäre das nicht vermeidbar, wenn die eine eidesstattliche Erklärung abgeben, dass sie nichts haben? Das ist ähnlich wie bei Menschen mit Behinderung. Die haben ihre Authentifizierung, ihren Pass, sie weisen das nach und werden teilweise befreit. Wäre das nicht auch für dieses eine Prozent möglich, und würde das nicht auch der Akzeptanz dieser Abgabe guttun? ...“

Der RBB-Verwaltungsdirektor und stellvertretende Intendant Hagen Brandstäter gehört zur Führungsebene der Landesrundfunkanstalt (geschätztes Einkommen aktuell 182.000 EUR/a). Er ist auch verantwortlich für den Bereich Beitragsservice beim rbb. © Bildnachweis rbb/Anna-Katharina Schulz


Darauf antwortete der RBB-Verwaltungsdirektor Hagen Brandstäter:

„... Ich komme zum zweiten Punkt, zu dem 1 Prozent der Menschen, die offensichtlich kein Gerät bereithalten, keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder die Medien überhaupt nicht nutzen. Man muss sich noch mal vergegenwärtigen, dass das alte Modell von Geräten ausging. Der Gesetzgeber hat, wie ich finde, in der heutigen Zeit absolut nachvollziehbar gesagt: Wir müssen weg von den Geräten, weil die Konvergenz der Medien und die Vielfalt der Empfangsgeräte heute nicht mehr beherrschbar ist, und wir wollen weg von den Kontrollen vor der Wohnungstür. – Der Gesetzgeber hat das typisiert. Ab ungefähr 90 Prozent, sagt die Jurisprudenz, kann man das machen. Es werden sicherlich irgendwann Klagen vor den Gerichten landen. Dessen sind wir uns auch bewusst. Aber es ist so: Dieses 1 Prozent, das Sie nennen, Frau Dr. Hiller – – Wir wissen nicht, ob es 1 Prozent oder 1 Promille ist. Ich bin mir ziemlich sicher, es würden 10 Prozent werden, wenn es diese Möglichkeit, sich dann befreien zu lassen, gäbe. Aber wir würden wieder ins alte Modell zurückfallen, denn es ginge dann wieder darum, kein Gerät bereitzuhalten, und davon wollten wir weg. Das wäre aus meiner Sicht sehr inkonsequent. Das neue Modell ist einfach: eine Wohnung, ein Beitrag. – Es wird an das Innehaben einer Wohnung angeknüpft. Wir würden dann wieder mischen, und es gäbe wieder viel Kontrollaufwand, den wir, glaube ich, alle nicht wollen.“

Ich bin mir sicher, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk der problematischen Stellen bewusst ist, an denen gesetzlich „der Schuh“ drückt, und sich dementsprechend vorbereitet hat. Anhand der Aussagen, die Hagen Brandstäter (RBB-Verwaltungsdirektor) bei der 71. Sitzung des Rundfunkrates des Rundfunks Berlin-Brandenburg getätigt hat, wird dies deutlich:

„... Im Dialog mit Verbänden und Kommunen haben sich im nicht privaten Bereich drei größere Punkte an grundsätzlicher Systemkritik herauskristallisiert ...  Im Zuge der Evaluation wird der Gesetzgeber diese Aspekte sicher verstärkt unter die Lupe nehmen. Justierungen oder größere Änderungen sind dabei nicht ausgeschlossen, je nach Faktenlage sogar wahrscheinlich. ..  So werden wir die Fälle, für die der Gesetzgeber keine Lösung im Gesetz vorgesehen hat, sammeln, bewerten und ggf. in das Evaluationsverfahren einbringen. Durchaus möglich ist, dass die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in einigen Fällen eine Eilbedürftigkeit erkennen und diese vor der gesetzlich vorgesehenen Evaluationsfrist behandeln werden. Solange die gesetzlichen Vorschriften aber unverändert bestehen, sind wir gehalten, sie entsprechend anzuwenden.“

Ich bin wahrscheinlich solch ein „Fall“, den Sie erst einmal sammeln, da Sie nicht über einen Widerspruch entscheiden möchten, sondern lieber einen weiteren Bescheid versenden. Was aber ist, wenn das Gesetz zwar eine Rechtsnorm darstellt, aber mit dem individuellen Gewissen nicht vereinbar ist? Darf ich mich auf meine Grund- bzw. Menschenrechte berufen oder soll ich auf den Tag warten, an dem sich die gesellschaftliche Sichtweise in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk so um 180 Grad gedreht hat, dass dieser ohne eine Pflichtfinanzierung aller Bürger(innen) auskommt, bzw. dieser Rundfunk radikal reformiert wurde? Menschen können immer ihrem Gewissen folgen, und zwar unabhängig von rechtlichen oder befehlenden Regeln. Deutlich wird dies bei dem klassischen Beispiel der Wehrpflicht. Wenn Sie sich vor dem Zweiten Weltkrieg der Wehrpflicht entgegensetzen wollten, war nur eine Desertion möglich, eine so genannte Fahnenflucht. Eine Gewissensentscheidung wurde ausgeschlossen und die Verweigerung strafrechtlich mit dem Tode bestraft.

Auszug aus dem Militärstrafgesetzbuch. Sich auf sein Gewissen zu beziehen war gesetzlich nicht möglich. © Bildnachweis Forschungsstelle für kirchliche Zeitgeschichte 


Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde mit dem Grundgesetz die Möglichkeit geschaffen, den „Kriegsdienst aus Gewissensgründen“ zu verweigern. Dies diente merkwürdigerweise auch dazu, nicht von den alliierten Kräften für deren militärische Belange missbraucht zu werden. Die jungen Männer, die, als der Wehrdienst in der Bundesrepublik und später auch in der DDR wieder eingeführt wurde, den Dienst an der Waffe ablehnten, mussten ihr Gewissen erklären. Welcher Irrsinn, sein Gewissen zu erklären und darauf zu hoffen, dass die Erklärung durch eine staatlich autorisierte Instanz anerkannt wird. Wie sollte die bzw. irgendeine Norm für ein Gewissen definiert sein? In der DDR war es noch extremer, da eine Verweigerung des Wehrdienstes Auswirkungen auf die spätere Berufskarriere haben konnte und eine Totalverweigerung mit einer Gefängnisstrafe endete. Müssten nicht eigentlich die Menschen ihr Gewissen erklären, die eine Waffe einsetzen wollen? Heute hat sich diese Diskussion in Luft aufgelöst. Die gesellschaftlichen und moralischen Repressalien sind Vergangenheit, oft scheint es, als hätte es sie nie gegeben. In unserer heutigen Gesellschaft wurde die gesetzliche Wehrpflicht abgeschafft. Aber nicht, weil es die Willensbekundung die Bevölkerung war, sondern weil es dem politischen System dient. Jetzt ist die Bundeswehr eine Söldnertruppe, die kaum Angst vor Gewissenskonflikten haben muss. Wer lehnt sich gegen seinen Arbeitgeber auf, wenn er sich freiwillig für dessen Belange einsetzt und dafür bezahlt wird, bei Auslandeinsätzen die Freiheit Deutschlands zu verteidigen?

In anderen systemrelevanten Zusammenhängen wird die auf das Gewissen bezogene oder religiöse Verweigerung, wie z. B. hinsichtlich der Abgabe des Anteils der Steuerlast für militärische Zwecke, staatlich nicht akzeptiert. Das Bundesverfassungsgericht hat hierfür sogar eine entsprechende Argumentation geschaffen. Diese wird wahrscheinlich dann genutzt werden, wenn eines Tages der Rundfunkbeitrag durch eine Steuer abgelöst wird und Mitbürger(innen) diesen Anteil nicht zahlen wollen. Jede Gewissenshandlung, die sich gegen eine staatliche Verordnung zur Wehr setzt, ist unter juristischen Gesichtspunkten extrem umstritten, weil es sich immer um einen individuellen Entschluss handelt, der geltende Rechtsnormen subjektiv außer Kraft setzt. Unabhängig davon, wie Platon, Sartre, Nietzsche, Voltaire, Kant, Hegel usw. das Gewissen im staatlichen Rahmen philosophisch zu beschreiben versuchen, der Massengehorsam wird durch die Befolgung des eigenen Gewissens durchbrochen. Hält unsere moderne Gesellschaft das aus?

Lektüre zum Thema Steuerverweigerung aus Gewissensgründen (links). Damals waren die Grünen noch eine Antikriegspartei. Zwei Gesetzesentwürfe (1986 und 1991) brachten sie hierzu in den Bundestag (rechts) ein. Heute wäre ein solches Gesetzesvorhaben seitens der Grünen wahrscheinlich undenkbar. © Bildnachweis Buch „Das Recht der Steuerverweigerung aus Gewissensgründen" Paul Tiedemann


Für mich ist das Wort Gewissen nur ein Versuch, die Kraft zu beschreiben, die aus meinem Inneren zu entspringen scheint und mir hilft, im Einklang mit meinem Bewusstsein und der wahrgenommenen Umwelt zu leben. Dieses Gewissen wird nicht im Rahmen irgendwelcher rechtlicher Vorgaben oder Gesetze geregelt. Nein, es ist ausschließlich meine innere Instanz. Der Zugang zu diesem inneren Wissen, Bauchgefühl oder Intuition wird unseren Kindern in der Schule aus guten Gründen nicht beigebracht. Wie sollte sonst eine gesellschaftliche Konformität erreicht werden, die unsere staatliche Ordnung garantiert?

Für mich ist es offensichtlich, dass der Rundfunk ein klassisches Werkzeug der Massenbeeinflussung ist. Gezielt unterstützt und dient er der herrschenden politischen Ideologie, um eine bestimmte „öffentliche Meinung“ zu forcieren. Es ist ein planvoller Akt, der auf die Wahrnehmung jedes Einzelnen abzielt und damit direkten Einfluss auf dessen Willensbildung ausübt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stellt den Aspekt der gewollten Willensbeeinflussung sogar heraus, indem er die Meinungsbildung explizit als sich selbst auferlegte Aufgabe herausstellt. Das Bundesverfassungsgericht schützt und festigt diese Massenbeeinflussung durch die Einführung der Terminologie „Grundversorgung“ und mit der logischen Argumentation, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den Gesetzgeber gewährleistet werden muss, damit die Unabhängigkeit des Rundfunks gewahrt bzw. eine Beeinflussung durch Dritte, wie seitens des Staates oder der Wirtschaft, verhindert wird, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine unverzichtbare Stütze der Demokratie ist. Jeder, der diesen Sachverhalt kritisch betrachtet, anders wahrnimmt, in Frage stellt, nicht befürwortet bzw. sich der geltenden Vorgabe entgegenstellt, wird in seine Schranken gewiesen. 

In verschiedenen Pressemeldungen vom August 2013 ist zu lesen, dass die ARD das Meinungsbild am stärksten prägt. Grundlage der Pressemeldungen ist der MedienVielfaltsMonitor der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien. © Bildnachweis Auszug der Präsentation „MedienVielfaltsMonitor der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, Anteil der Medienkonzerne und Medienangebote am Meinungsmarkt, 1. Halbjahr 2013“
Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es vorteilhaft, dass der Rundfunkbeitrag auch fällig wird, wenn kein TV oder Radio genutzt wird, denn junge Menschen zwischen 14 bis 29 Jahren bevorzugen das Internet und nicht die klassischen Medien. © Bildnachweis Auszug der Präsentation „Relevanz der Medien für die Meinungsbildung. Empirische Grundlagen zum MedienVielfaltsMonitor der BLM“



Ein Rückblick in der Geschichte des deutschen Rundfunks verdeutlicht es: Unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform wurde eine Pflichtfinanzierung seitens der Rundfunkteilnehmer geschaffen, diese wurde jeweils mit anderen Gesetzestexten gerechtfertigt.


1923
Der offizielle Unterhaltungsrundfunk im Deutschen Reich beginnt am 24. Oktober 1923. Auch wenn es zuvor andere Pläne gab, zum Beispiel den Rundfunk zu zentralisieren oder das Rundfunkprogramm kostenlos anzubieten (durch Telefunken), wurden zwei grundsätzliche Aspekte durchgesetzt: die Dezentralisierung der Rundfunkgesellschaften und die kostenpflichtige Teilnahme am Rundfunk. 

Die erste Regelung für den Unterhaltungsrundfunk von 1923. Bildnachweis Faksimile-Auszug der Verfügung Nr. 815


Mit der Verfügung Nr. 815 des Reichspostministers wurde die Teilnahme am Rundfunk offiziell ermöglicht. Der Rundfunkteilnehmer benötigte eine Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Rundfunkempfangsanlage. Dazu musste ein Antrag beim zuständigen Fernsprechamt oder Verkehrsamt mit Fernsprechvermittlungsstelle eingereicht werden. Mit der Bezahlung der Genehmigungsgebühr erhielt der Rundfunkteilnehmer die entsprechende Genehmigungsurkunde. Mit dieser war es lediglich erlaubt, mit einem von der Reichstelegraphenverwaltung (RTV) zugelassenen Empfangsgerät Rundfunk zu empfangen, der durch die von der RTV betriebenen Sendeanlagen ausgestrahlt wurde. Das Rundfunkprogramm wurde durch so genannte Programmgesellschaften realisiert, die durch staatliche Konzessionen zugelassen wurden. Die verlangte Genehmigungsgebühr war ausschließlich dem Reichspostministerium geschuldet und nicht den Programmgesellschaften. Dieser Aspekt sollte sich bis 1945 nicht ändern. Die Post teilte die Einnahmen auf und gab einen Teilbetrag an die zugelassenen Rundfunksender weiter. Wie setzte die Post die Höhe der fälligen Gebühr fest? Trotz intensiver Recherche ist es mir nicht gelungen, das damalige Berechnungsmodell ausfindig zu machen. Wenn Ihnen dieses Berechnungsmodell vorliegen sollte, würde mich dessen Veröffentlichung interessieren, denn es bildet indirekt die Grundlage unserer heutigen Beitragshöhe und dementsprechend die mathematische Grundlage für die Gebührenberechnung. Bemerkenswert ist, dass heute anscheinend unbekannt ist, welche Kostenaufwendungen für einen flächendeckenden Rundfunkbetrieb nötig sind. 

Zu- und Abgänge der Rundfunkteilnehmer in den Jahren 1923 bis 1927. © Bildnachweis Faksimile-Grafik aus „Vier Jahre deutscher Rundfunk“, Hans Bredow

Zum Jahreswechsel 1927/28 erreichte die Anzahl der Rundfunkteilnehmer die 2-Millionen-Grenze. © Bildnachweis Faksimile DRA (Deutsches Rundfunkarchiv), Frankfurt a. M.



Wie vieler Rundfunkgesellschaften, Programmaufwendungen, Sendeanlagen und organisatorischer Überbauten bedarf es überhaupt und wer legt diese fest? Was passierte damals mit den Mehreinnahmen dank steigender Hörerzahl? Wurde die Sendetechnik ausgebaut, wurden weitere Rundfunkgesellschaften zugelassen, mehr Gewinne erzielt, defizitäre Abteilungen der Post kofinanziert, Gehälter erhöht oder wurde die Verwaltung des Rundfunks ausgebaut?


1924 bis 1944
Am 8. März 1924 wurde bezüglich der Rundfunkteilnahme die Notverordnung zum Schutz des Funkverkehrs erlassen. Das Prinzip der Genehmigungsurkunde als Voraussetzung zur Teilnahme am Rundfunk blieb bestehen, nur die Bedingungen zur Teilnahme verschärften sich. Am 1. Januar 1928 trat erstmals ein wirkliches „Gesetz über Fernmeldeanlagen“ in Kraft, das „Gesetz zur Änderung des Telegraphengesetzes“ vom 3. Dezember 1927, das ab dato für die Rundfunkteilnehmer bindend war. Ab November 1932 begann die Verstaatlichung des Rundfunks durch entsprechende Richtlinien des Reichspost- und des Reichinnenministers. Es wurden eine staatliche Aufsicht, eine zentrale Verwaltung und eine Programmkontrolle eingeführt – noch vor der Machtübernahme durch Hitler. Am 11. März 1933 beschloss das Reichskabinett die Errichtung des Reichministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP), der entsprechende Erlass erging am 13. März. Das RMVP hatte unter anderem folgenden Zweck: „ ... Aufklärung und Propaganda unter der Bevölkerung über die Politik des Reichsregierung und den nationalen Wiederaufbau des deutschen Vaterlandes ...“.

Das Propagandaministerium sicherte sich seinen Anteil an den Rundfunkgebühren. Die neue Aufteilung erfolgte 1935 durch Propagandaminister Goebbels und Reichspostminister von Eltz-Rübenach. © Bildnachweis Faksimile BA Kblz R2/4903


Am 1. September 1939, dem Tag des deutschen Überfalls auf Polen, wurden die Hörer über die „Verordnung über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen“ unterrichtet. Der eingesetzte Ministerrat für Reichsverteidigung ließ die Bevölkerung wissen, dass in einem modernen Krieg nicht nur militärisch, sondern auch mit anderen Mitteln gekämpft wird, mit Mitteln, „die das Volk seelisch beeinflussen und zermürben sollen“. Vorher durften lediglich die offiziell zugelassenen Sender empfangen werden, jetzt wurde unter Todesstrafe verboten, „Feindsender“ zu hören.

Artikel der National-Zeitung vom 23. November 1941 zum Thema Propaganda. Bis heute gilt: Nur der Feind betreibt Propaganda. © Bildnachweis Faksimile-Auszug National-Zeitung vom 23. November 1941



1945
Mit der Besetzung deutscher Gebiete durch die alliierten Mächte begann die Neuorganisation des deutschen Rundfunks. Der Sendebetrieb musste formal eingestellt werden und die ehemals deutschen Rundfunksender wurden zu Abteilungen der Militärregierung. Der gesamte Rundfunk unterstand fortan ihrer Kontrolle. Die Post wurde enteignet und musste ihre Sendeanlagen dem Rundfunk übergeben. Jede der Militärregierungen verfolgte ihre eigenen Interessen und schuf sich für ihre besetzten Gebiete die entsprechende Rundfunkstruktur. Mit der Militärverordnung Nr. 118 wurde z. B. der öffentlich-rechtliche Sender in der britischen Besatzungszone per Befehl erlassen. 

Lizenzurkunde des Bayrischen Rundfunks vom Office of Military Government for Bavaria von 1949 (links). Mit der Verordnung Nr. 118 wurde der Nordwestdeutsche Rundfunk (Vorgänger des NDR und WDR) durch Befehl der britischen Militärregierung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunksender. © Bildnachweis Faksimile Lizenzurkunde des Bayrischen Rundfunks (links), Amtsblatt der britischen Militärregierung (rechts)


Formal galt zu diesem Zeitpunkt weiterhin die Gesetzgebung von 1928, gemäß der eine Genehmigung zum Betrieb und zur Errichtung einer Sendeanlage benötigt wurde. Dies spielte rechtlich jedoch keine Rolle, denn das Besatzungsrecht macht es bis heute möglich, dass deutsche Gesetze überlagert werden. Für den Rundfunkhörer ergab sich 1945 eine grundsätzliche Veränderung. Die Gebühr wurde zwar weiterhin durch die Post eingezogen (auf Befehl der Militärregierung), der Rundfunkteilnehmer schuldete den Betrag jedoch nicht mehr der Post, sondern den Rundfunkanstalten. Die Post musste mit jeder Militärregierung verhandeln, wie hoch der Anteil sein durfte, den die Post für den Verwaltungsakt des Gebühreneinzugs und der Funkentstörung für sich einbehalten durfte. 

Auch nach 1945 hatte jeder Rundfunknutzer seine Gebühren zu zahlen. Trotz gleichen Betrags galten in jeder Besatzungszone bzw. in jedem Bundesland andere rechtliche Regelungen. © Bildnachweis Faksimile Innenseite „Die Rundfunkgebühr – Ein Rechtsbeitrag zur Rundfunkdiskussion“, Hans Peter Ipsen


 
1945 bis 2012
1948 wurde das Grundgesetz ausgearbeitet und der Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 manifestiert: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk nutzte diese Formulierung später für seine gesetzlich garantierte Daseinsberechtigung. Je nach Bundesland bzw. Rundfunkanstalt gab es Festlegungen, wie der Bezugspunkt zur Herleitung der Rundfunkgebühr definiert wurde. Die ersten Rundfunkanstalten führten eine Bezugsformulierung ein, die bis 2013 Gültigkeit haben sollte. Jeder, der ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithielt, musste eine Gebühr zahlen. Das so genannte 1. Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1961 beschied dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass er staatfrei organisiert und dezentral durch die Länder und nicht durch den Bund geregelt wird. 

Der ZDF-Verwaltungsrat stand schon immer für „politische Unabhängigkeit“. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl (Dritter von links) wurde 1971 Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrates. Nicht umsonst hat das ZDF seinen Hauptsitz in Mainz. © Bildnachweis ZDF/Meyer-Hanno

Eine weitere verfassungsrechtliche Entscheidung fiel im März 1968. Die Rundfunkgebühr wurde in voller Höhe den Rundfunkanstalten für ihre Programmgestaltung zugestanden und war damit nicht mehr eine durch die Post zu beeinflussende Hoheitsgebühr. Ein seit Jahren längst gelebter Aspekt wurde somit im Nachhinein bestätigt. Jetzt schuldete der Rundfunkteilnehmer die Rundfunkgebühr offiziell der jeweiligen Landesrundfunkanstalt, die auch das Recht erhielt, das Gebühreninkasso selbst zu organisieren bzw. dieses Dritten zu übertragen. Damit war der große politische Kampf zwischen der Bundespost und den Rundfunkanstalten durch neue Verträge zugunsten der Landesrundfunkanstalten entschieden. Es entstand die nicht rechtsfähige Organisation GEZ, die ab 1976 den Gebühreneinzug bzw. das gesamte Inkasso übernahm. 

Das Gebäude der damaligen Gebühreneinzugszentrale in Köln-Bocklemünd im Jahr 1975. Angeblich wurden mit der Umstellung des Inkassos von der Bundespost zur GEZ rund 150 Mio. DM jährlich eingespart. Ein Betrag, der direkt wieder in die Rundfunkfinanzierung fließen konnte. © Bildnachweis ARD-Jahrbuch 1975


1983 wurde durch eine weitere Neuordnung des Rundfunkstaatsvertrages das duale Rundfunksystem eingeführt. Was vorher politisch nicht opportun war bzw. erfolgreich abgewehrt wurde, wurde jetzt gesetzlich vereinbart. Egal ob Grundversorgung, Bestands- und Entwicklungsgarantie, Programm- oder Funktionsauftrag – nacheinander wurden Rundfunkbegriffe gesetzlich definiert und interpretiert. Mit dem neuem Rundfunkstaatsvertrag von 1990 wurde das Prinzip des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf die neuen Bundesländer ausgeweitet. 

Durch das Bundesverfassungsgericht werden Begriffe des Rundfunkrechts im Nachhinein definiert und interpretiert. © Bildnachweis Screenshot ARD


Für die Ostdeutschen gab es jetzt eine neue „Wahrheit“, die offiziell verkündet wurde. Selbstverständlich galt auch weiterhin, dass für die Bereithaltung eines Empfangsgerätes zu zahlen war. Damit die Finanzierung des Rundfunks gewährleistet blieb, wurde 2004 der Begriff „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“ eingeführt und mit dieser Definition auch das Internet zur Rundfunknutzungszone erklärt. Einer aufkommenden Empörung über die Begriffserweiterung wurde 2010 per Verwaltungsgerichtsbeschluss eine Bestätigung der Rechtmäßigkeit dieser Definition entgegengesetzt. 


2013
Forciert durch die wie stets im Hintergrund agierenden Lobbyisten beim öffentlichen Rundfunk, die mittels Rundfunkabgabe unterstützten Rundfunkinstitute bzw. Gutachter und die politisch verantwortlichen Rundfunkfachreferenten der Landesregierungen kommt es zur Ratifizierung des 15. Rundfunkstaatsvertrages. Ab dem 01.01.2013 gilt ein rundfunkrechtlicher Paradigmenwechsel. Die Gebühr wird zum Beitrag und der Bezugspunkt des Empfangsgerätes ist nicht mehr für den neuen „Rundfunkbeitrag“ relevant.

Auf vielen Illustrationen zum Thema neuer Rundfunkbeitrag sind keine Rundfunkgeräte zu sehen. Die Grundaussage der Bilder entspricht dem neuen Paradigmenwechsel. Der Beitrag ist auch zu zahlen, wenn kein Rundfunkempfangsgerät vorhanden ist. © Bildnachweis Beitragsservice



Jetzt soll ich dafür bezahlen, dass ich den Luxus genieße, in einer Wohnung leben zu dürfen, losgelöst von der Tatsache, ob ich die Rundfunktechnologie nutze oder nicht. Mit der finanziellen Kraft der Gebühren/Beitragserlöse konnte sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit den selbst in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten beweisen, dass alles rechtskonform und damit „in Ordnung“ ist. Dieses Vorgehen erinnert mich stark an „Brave New World" bzw. „1984". Begehe ich jetzt ein „Gedankenverbrechen", weil ich die mantraartig vorgetragene Formulierung der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten, dass es sich um eine zukunftsweisende, medienkonvergente, gerechte, solidarische und durch einen demokratischen Prozess legitimierte Abgabe handelt und dass alle Ministerpräsidenten diesen Vertrag unterzeichnet haben, anzweifle und sogar deren Gegenteil darin sehe? 

Der Anknüpfungspunkt Rundfunkgerät ist nicht mehr zeitgemäß. Dies ist eine von mehreren Kernargumentationen zum Rundfunkbeitrag. SWR-Justitiar Dr. Hermann Eicher ist mit zuständig für die neue Regelung und verteidigt sie gern öffentlich. Für ihn geht es vor allem darum, die „Anforderungen des Gesetzgebers“ umzusetzen. © Bildnachweis Screenshot ZDF


Auf der Basis des orwellschen Prinzips wird es vielleicht irgendwann ein globales Rundfunkgesetz geben, das besagt, dass jeder, sobald er geboren wird, eine Wahrheitsempfangsabgabe an den öffentlich-rechtlichen Welt-Rundfunk zu zahlen hat. Einen Welt-Rundfunks, der per Erlass der Hüter der allgemein zu verbreitenden, unabhängigen Meinungswahrheit ist. Der Pflichtbetrag würde gleich von einem Chip abgebucht, der jedem vor seiner Geburt implantiert und mit einem virtuellen Guthaben aufgeladen wurde, das jeden Bürger umgehend in ein Schuldverhältnis zur Weltzentralbank setzt. Das Guthaben selbst wurde natürlich aus dem „Nichts" geschaffen und muss ab dem 18. Lebensjahr in selbst erschaffenen Werten zurückgezahlt werden. Ohne den Chip wäre ein Leben in dieser Gesellschaftsform nicht möglich. Ich weiß, dass dies eine schreckliche Fiktion ist. Hätte jemand den Menschen in Deutschland vor einigen Jahren erzählt, dass nicht das Rundfunkempfangsgerät der Bezugspunkt ist, sondern der Ort, an dem sie wohnen, hätte jeder diesen „jemand“ für verrückt erklärt. So ändern sich die Zeiten.  

Das Monopol der Wahrheitsverbreitung liegt schon lange nicht mehr beim Rundfunk, auch nicht bei den öffentlich-rechtlichen Landesanstalten. Die Informationsverbreitung liegt seit der Schaffung des Internets mehr denn je in der Hand jedes einzelnen Menschen. Heute ist es möglich, dass jeder selbst „Rundfunk“ betreibt, indem er einfach seine Informationen über einen Blog, ein Facebook-Account, einen Twitter- bzw. YouTube-Channel oder das Internet-Radio verbreitet. 

Heute verstehe ich Erich Mielke etwas besser, als er sagte: „Ich liebe euch doch alle.“ Er meinte es anscheinend wirklich so, weil er in ein System involviert war. Auch die meinungsbildende, staatsferne und unabhängige Grundversorgung ist für die politische Führung und die Landesrundfunkanstalten gelebte System-Realität. Sie selbst, Frau Reim, nehmen dies auch so wahr und setzen sich mit voller Kraft dafür ein, falls ich Ihre Worte richtig interpretiere.

Die Intendantin des rbb, Dagmar Reim, setzt sich für die „politische Unabhängigkeit“ der Landesrundfunkanstalt ein. Ohne politischen Einfluss wäre ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht existent. © Bildnachweis Thilo Rückeis


„Der rbb ist so abhängig von politischem Einfluss wie der Papst von Ecstasy. Dabei soll es bleiben; das gibt es nicht geschenkt. Daran arbeite man jeden Tag.” (öffentliches Protokoll über die 72. Sitzung des Rundfunkrates des Rundfunks Berlin-Brandenburg)

Für mich und eine wachsende Anzahl Mitbürger(innen) ist diese Art der unabhängigen Grundversorgung eine leere und bedeutungslose Worthülse. Meine diesbezügliche Wahrnehmung wird zusätzlich durch das Gebaren des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestärkt. Dessen Maßnahmen zur Meinungsbildung zeigen auf, dass er uneingeschränkt der propagierten politischen Linie der westlichen Wertewelt folgt.

Am 15. April 2013 explodierten gegen 14:50 Uhr beim Boston-Marathon in der Nähe der Zielgeraden zwei Bomben. Auch in den öffentlich-rechtlichen Medien errang das Ereignis mediale Dauerpräsenz. Dabei wurde jedoch nur wiederholt, was die amerikanischen Mainstream-Medien vorgegeben hatten. Die gleichen Bilder wurden gezeigt, die gleichen Grundhaltungen im Statement übernommen. Es schien, als sei es völlig normal, dass in einer Demokratie eine ganze Stadt abgeriegelt wird, Militärfahrzeuge durch die Innenstadt fahren und bewaffnete Sondereinheiten Hausdurchsuchungen von Tür zu Tür vornehmen, um eine Terrorgefahr abzuwehren. Mir ist bis heute keine journalistische Recherche einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt bekannt, die dieses Ereignis kritisch hinterfragt und ihre Hinterfragung zu einer Top-Sendezeit präsentiert hat. Vielleicht empfinde nur ich es als sonderbar, dass das FBI am 18. April zwei Tatverdächtige präsentierte und die Bevölkerung um Identifizierung bat, obwohl das FBI die Tatverdächtigen kannte. Weitere relevante Unglaublichkeiten, die journalistisch zu überprüfen wären, wurden ebenfalls nicht erörtert. Warum kann ich nicht erfahren, weshalb der Boston Globe über seinen Twitter-Account mitteilte, dass es eine Bombenübung gegenüber der Bibliothek geben würde? An dem Ort, an dem die erste Bombenexplosion stattfand. 

Zufälle gibt es, die zu hinterfragen wären. So eine Ankündigung der besonderen Art: Der Boston Globe twittert, dass gegenüber der Bibliothek eine Bombenübung stattfinden wird. © Bildnachweis Screenshot Twitter-Account Boston Globe



Warum gibt es keine Nachfragen zur Anwesenheit der Sicherheits-Firma CRAFT INTERNATIONAL (bzw. zu Menschen, die mit deren Firmenkleidung vor Ort präsent waren), die mit dem Claim „Violence does solve problems“ wirbt? Ein Spezial-Unternehmen, das ein ehemaliger Scharfschützenveteran des Irakkrieges gegründet hat, der dort aufgrund seiner viele Tötungen „The Evil“ genannt wurde.

Zufälle gibt es, die zu hinterfragen wären. Links (1) die Boston Public Library, in der Mitte (2) die Ziellinie des Boston-Marathons und rechts (3) der Ort, an dem die erste Bombe detonierte. © Bildnachweis Screenshot Google Maps, Markierung rundfunkbeitrag.blogspot.de
Zufälle gibt es, die zu hinterfragen wären. Während der Veranstaltung des Boston-Marathons sind viele Sicherheitskräfte vor Ort. Unter anderem anscheinend Angestellte der Firma CRAFT INTERNATIONAL. Es gibt hierzu bis heute keine öffentlichen Stellungnahmen. © Bildnachweis flickr-Account hahatango (Bild groß), CRAFT INTERNATIONAL (Bild klein)

Warum kann ich nicht genau erfahren, wie Tamerlan Tsarnaev zu Tode oder wie sein Bruder Dzhokhar zu seinen Schussverletzungen kam, die ihn danach nicht mehr sprechen lassen konnten, obwohl er sich mit erhobenen Händen ergab? Warum kann ich nicht erfahren, wie Dzhokhar das Geständnis an die Innenseite der Bootswand geschrieben hat, geschweige denn, wie dieses Geständnis aussieht? Warum kann ich nicht die hochauflösenden Fotos (aktuell ist nur niedrig aufgelöstes Material abrufbar) der zerstörten Rucksäcke, in denen die Bomben gewesen sein sollen, sehen bzw. das Video-/Bildmaterial, das die beiden Brüder eindeutig belastet, diese Rücksäcke am Explosionsort platziert zu haben? Warum erfahre ich nichts über die Rolle von Rene Fielding (Acting Director of Mayor's Office of Emergency Management), die bereits eine Minute nach der Explosion am Ort des Geschehens war, um zu helfen? 

Zufälle gibt es, die zu hinterfragen wären. Rene Fielding ist kurz nach der ersten Bombenexplosion am Ort des Geschehens. Als Acting Director im Office of Emergency Management in Bosten probt sie sonst entsprechende Ereignisse mit Statisten. © Bildnachweis 2012 UrbanShield - Boston Trailer vom Boston Police Dept. Office of Multi-Media (Bild groß) flickr-Account hahatango (Bild klein)


Warum erfahre ich nichts darüber, warum Organisatoren an der Laufstrecke unmittelbar nach dem Anschlag vor laufender Fernsehkamera sagen konnten, dass es drei Todesopfer gegeben hat (woher weiß man dies zu diesem Zeitpunkt und von wem)? Die „unabhängigen“ Meinungsmacher des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellen keine Fragen, sondern präsentieren vorhandene Informationsdarstellungen Dritter. 

Zufälle gibt es, die zu hinterfragen wären. Der Mann, der sehr gut informiert ist. Wie der „Zufall“ es will, schwenkt die Kamera zu einem Organisator des Marathonlaufs (blaue Jacke mit Sonnenbrille), der einer neben ihm stehenden Person erläutert, dass drei Menschen umgekommen seien. Diese Aussage macht er kurz nach dem Attentat. Wie ist das möglich? © Bildnachweis Screenshot FOX NEWS


Die ideologische Grundhaltung der synchronisierten westlichen geostrategischen Politik der Bundesregierung wird 1:1 vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk präsentiert. Der Berlinbesuch Barack Obamas im Juni 2013 macht dies deutlich. Zu DDR-Zeiten hatte diese Art der Unterwerfung sogar ein offizielles politisches Leitmotiv, damals hieß es: Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen! 

Euphorie auf allen Kanälen. Zu DDR-Zeiten immer im Einklang, die gleichgeschaltete Presse. Hier beim Besuch von Leonid Breschnew im Mai 1973. © Bildnachweis Faksimile Neues Deutschland und Berliner Zeitung vom 13. Mai 1973

Der Kuss – auch ein Sinnbild politischer Verbundenheit. Wie sich die Bilder gleichen: Breschnew und Honecker 1979 (links) sowie Obama und Merkel 2013 (rechts).


Gegenüber der amerikanischen Politik erfolgt diese Huldigung im Westteil seit 1945 und seit 1990 auch im Ostteil Deutschlands. Versiegelte Abwasserdeckel, 4.000 geladene Fans vor dem Brandenburger Tor und ein durch Panzerglas gesichertes Rednerpult lassen am 19. Juni 2013 die inszenierte Kulisse auf dem abgesperrten Pariser Platz wie einen Staatsbesuch Leonid Breschnews in der Hauptstadt der DDR erscheinen. 

Euphorie auf allen Kanälen. Die Bundesregierung (links) und die „unabhängige“ Tagesschau sind im Einklang mit ihrer politischen Meinungsbildung für ihre Zielgruppe. © Bildnachweis Screenshot bundesregierung.de (links) und tagesschau.de (rechts)

Euphorie auf allen Kanälen. Auch Bild (links) und der Spiegel sind im Einklang mit ihrer politischen Meinungsbildung für ihre Zielgruppe. © Bildnachweis Screenshot bild.de (links) und spiegel.de (rechts)


Nein, diesmal ist es der Klassenfreund Barack Obama. ARD, ZDF und PHOENIX berichten live über mehrere Stunden. Auch der rbb als Landesrundfunkanstalt zeigt, was er kann, und berichtet in mehreren Sondersendungen von diesem Event. Es ist schön, wie sich alle freuen. Die kritisches System-Grundhaltung, die anderen Präsidenten über die öffentlich-rechtlichen Medien zuteilwird, wie bei einem Interview Claus Klebers mit Mahmud Ahmadinedschad oder einem Interview Jörg Schönenborns mit Wladimir Putin, ist hier fehl am Platz. Das Moderatorenduo vor Ort kann sich vor Begeisterung nicht mehr halten. 

Informations- oder Unterhaltungssendung? Die Sonderberichterstattung zur Obama-Rede vor dem Brandenburger Tor mit der Korrespondentin aus dem ARD-Studio in Washington Tina Hassel und dem Korrespondenten des ARD-Hauptstadtstudios Ulrich Deppendorf. © Bildnachweis Screenshot ARD



Zitat:
[Ulrich Deppendorf] „... jetzt geht es los, meine Damen und Herren. Sie sehen, dort hinten kommen sie. In der Mitte die Bundeskanzlerin, links von ihr Barack Obama und der Regierende Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit. Und der Jubel ist groß, Tina Hassel.“ 

[Tina Hassel] „Tja, ich hoffe, Sie können zu Hause auch etwas davon mitbekommen, denn das ist schon ansteckend und das haben diese Politiker ja auch nicht jeden Tag …“

Es überwiegen oberflächliche, abwiegelnde Phrasen, kritisch fundierte Fragen scheinen bei der öffentlich-rechtlichen, unabhängigen, objektiven, ausgewogenen Meinungsbildung nicht notwendig zu sein. Was ist mit den NSA-Aktivitäten? Was ist mit Guantanamo? Was ist mit der Nichtanerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs? Was ist mit den Drohneneinsätzen in Somalia, Pakistan, im Jemen und der zugehörigen Tötungsliste? Wie wäre es mit der Frage, wie sich Barack Obama in solchen Zusammenhängen als Friedensnobelpreisträger fühlt? 

Terrorabwehr geht vor Völkerrecht? Die Anzahl der durch amerikanische Drohnen-Angriffe getöteten Menschen in Pakistan. Solche Themen werden beim Besuch Obamas nicht weiter diskutiert. © Bildnachweis the bureau of investigative journalism


Heute ließe sich aus aktuellem Anlass zusätzlich die Frage stellen, warum westliche Medien noch ihren Beitrag dazu leisten, Geschichten über angebliche „Beweise“ so zu verbreiten, als ginge es um Wahrheit und Gerechtigkeit und nicht um die Manipulation der Massen hinsichtlich des Vorteils geostrategischer Ziele.

Ich habe nichts gegen diese aus meiner Sicht merkwürdige Präsentation von Informationen, denn Meinungsvielfalt macht die Lebenswirklichkeit mannigfaltig und interessanter. Doch ich lehne es ab, dieses gewaltige öffentlich-rechtliche Beteiligungsnetzwerk, das lediglich für Insider durchschaubar ist, mit einem Beitrag zu unterstützen. Hierbei noch außer Acht gelassen habe ich das Gehaltsniveau der Führungsebene, die für alle Aktivitäten der Meinungsbildung und Grundversorgung verantwortlich ist. Es ist schon sonderbar, wie einsilbig kommuniziert wird, wenn Außenstehende beginnen, unbequeme Fragen zustellen. 

Auszug aus dem Beteiligungsnetzwerk des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bestimmte Beteiligungsverhältnisse müssen bis heute nicht in den Berichten der Landesrundfunkanstalten aufgeführt werden. © Bildnachweis rundfunkbeitrag.blogspot.de


Letzteres wurde erneut deutlich, als ich vor einigen Wochen zu recherchieren begann, wie hoch das tatsächliche Einkommen der gesamten Führungsebene des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist. Ausführliche, bestätigte Zahlen waren kaum ermittelbar (mit Ausnahme von Zahlen des WDR und ZDF). Ein Großteil der Zahlen, die in den Medien präsent waren, beruhte auf Annahmen oder wurde in Veröffentlichungen aus dem Jahr 2010 genannt. Mittlerweile sind die Werte von 2010 veraltet, weil die Gehaltsstrukturen der Führungsebene angepasst wurden, zumeist analog und im Verhältnis zu den Gehältern der tariflich angestellten Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wenn die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen bestimmten Prozentsatz ausgehandelt hatte, dann wurde diese Erhöhung teilweise auch auf die Führungsebene übertragen. Hier der Nachweis für ein solches Vorgehen (Protokoll, Bericht über die Sitzung des Verwaltungsrates am 31. Januar 2013 von Dr. Hartmann Kleiner, rbb):

„... Nach dem Staatsvertrag bedürfe die Intendantin bei der Regelung der Vertragsbedingungen der Direktoren der Zustimmung des Verwaltungsrates. Nach den Dienstverträgen der Direktoren hätten diese alle zwei Jahre Anspruch auf eine Anpassung ihrer Gehälter. Maßstab dieser Anpassung sei die wirtschaftliche und tarifliche Entwicklung im rbb. Insofern habe die Intendantin vorgeschlagen, die Gehälter der Direktoren etwas unterhalb jenes Maßstabs zu erhöhen, in dem die Tarifverträge im rbb in den vergangenen zwei Jahren erhöht worden seien. Dies seien knapp vier Prozent. Dem habe der Verwaltungsrat zugestimmt. Der Verwaltungsrat selbst sei auch für die Festlegung der Bedingungen der Intendantin zuständig. Sie habe einen ebensolchen Anspruch in ihrem Dienstvertrag. Er habe einer Erhöhung der Bezüge um knapp vier Prozent mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres zugestimmt. Die Erhöhung der Bezüge der Intendantin, der Direktorin und der Direktoren liege im Übrigen unterhalb der tariflichen Erhöhung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rbb ..."

Werden Doppelpositionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch doppelt vergütet? Auch beim rbb stellt sich die Frage. Dr. Reinhart Binder ist einerseits Direktor für Recht und Unternehmensentwicklung beim rbb (geschätztes Jahresgehalt aktuell ca. 161.000 EUR) und gleichzeitig der Geschäftsführer der rbb media GmbH (Gehalt unbekannt). © Bildnachweis rbb/Hanna Lippmann




Darüber hinaus gibt es bei den Sendern extrem verschachtelte Konstellationen, die Anlass zu der Annahme geben, dass einzelne Personen mehrere Vergütungen aus dem Budgettopf der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten erhalten. So ist z. B. Dr. Reinhart Binder vom rbb einerseits Direktor für Recht und Unternehmensentwicklung (geschätztes Gehalt von ca. 161.000 EUR jährlich) und gleichzeitig der Geschäftsführer einer weiteren Firma (rbb media GmbH), die zufälligerweise eine 100%ige Tochter der Rundfunkanstalt ist und für das Jahr 2011 einen Bilanzgewinn von 5.766.143,81 EUR ausgewiesen hat. Die Höhe des Gehalts des GmbH-Geschäftsführers wird jedoch nicht veröffentlicht, auch nicht im Bundesanzeiger. In diesem findet sich lediglich der folgende Hinwies: „Auf die Angabe der Bezüge der Geschäftsführung wird mit Hinweis auf § 286 Abs. 4 HGB verzichtet." Völlig außen vor bleibt bei diesem Personenkreis noch die Möglichkeit von Nebenverdiensten über andere berufliche Aktivitäten.

Um die Einkommenslogik der gesamten Führungsebene besser zu verstehen, habe ich den Geschäftsführer der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), Dr. Horst Wegner, direkt kontaktiert und ihn gebeten, mir entsprechende Angaben zu übermitteln. Er hat mir sehr freundlich und ausführlich geantwortet. Leider musste er mitteilen, dass ihm die gewünschten Angaben nicht vorliegen.

Die erste von zwei Antwort-Mails von KEF-Geschäftsführer Dr. Horst Wegner zum Thema Personalkosten. © Bildnachweis Faksimile des Originals




„… Über Informationen zu den von Ihnen gestellten Detailfragen verfügen wir daher nicht, da diese wegen der Methodik zur Ermittlung des Finanzbedarfs nicht benötigt werden. … Eine Prüfung, ob sie (die) Rundfunkanstalten nach den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verfahren, obliegt den jeweils zuständigen Landesrechnungshöfen. Von diesen werden auch die Personalaufwendungen im Detail untersucht. …"

Zusätzlich gab er eine weitere wichtige Information, die sich auf die Bezüge der freien Mitarbeiter (z. B. Claus Kleber) bezieht. Es sei nicht möglich, konkrete Angaben zu erhalten. Hier wird wie folgt argumentiert:

„… Ähnlich wird bei den Personal- und Sachaufwendungen verfahren (die Honorare der freien Mitarbeiter sind Teil der Programmaufwendungen) ..."

Auf Grundlage dieser Aussagen habe ich alle Intendanten angeschrieben und um die Veröffentlichung des Einkommens jedes einzelnen Mitglieds der Führungsebene gebeten. Nach einer kurzen Funkstille erhielt ich seitens der Intendanten kein Feedback, stattdessen meldete sich die ARD-Pressestelle:

„… vielen Dank für Ihre Anfrage an die Intendantinnen und Intendanten der ARD. Stellvertretend für die Landesrundfunkanstalten übernehmen wir als ARD-Pressestelle die Beantwortung. Zum Thema Transparenz stellen wir innerhalb der ARD gerade verschiedene Informationen zusammen, die öffentlich gemacht werden können. Das Ziel ist ein möglichst einheitliches und koordiniertes Vorgehen, dazu gehört auch das Thema “Gehälter“...“

Dieses zentrale Feedback war abgesprochen, denn was die Pressestelle nicht weiter erläuterte, ist die Tatsache, dass die Antwort nach einer Intendantenkonferenz erfolgte. Auf meine Rückfragen, warum mir die einzelnen Intendanten nicht geantwortet hätten, ob diese Entscheidung im Rahmen der Konferenz gefällt wurde und ob die Entscheidung etwas mit meiner Anfrage an alle Intendanten zu tun habe, erhielt ich lediglich eine Standardantwort:

Statt klarer Antworten jedes Intendanten, wie viel jeder Einzelne der Führungsebene der Rundfunkanstalten verdient, erhalte ich eine allgemeine Infomail der ARD-Pressestelle. © Bildnachweis Faksimile des Originals

„… Es ist durchaus üblich, dass wir als ARD-Pressestelle in Absprache mit den anderen Landesrundfunkanstalten zentrale Antworten geben, wenn es sich anbietet. In Ihrem Fall ist das so. Wie wir Ihnen am Freitag geschrieben haben, arbeiten wir in der ARD an einem möglichst einheitlichen und koordinierten Vorgehen. Auch beim Thema ‚“Gehälter“ …"

Es gab nur eine konkrete Antwort zum Thema Vergütung und die kam vom ZDF. © Bildnachweis Faksimile des Originals


Ich war nicht überrascht, als der Spiegel bereits vor der offiziell geplanten Transparenz-Offensive der öffentlich-rechtlichen Sender die Zahlen präsentierte. Jetzt kann es jeder lesen, dass rund 1.700 wohnungsinhabende Bürger(innen) notwendig sind, um allein das Gehalt (367.232 EUR) des WDR-Intendanten Tom Buhrow zu ermöglichen. Investigativer Journalismus hätte alle Gehälter, Zusatzverdienste und Nebeneinkünfte bereits vor Jahren öffentlich bekannt gemacht.

Gehälter der Intendanten und Intendantinnen sowie des Beitragsservices-Leiters. Angaben Spiegel, Handelsblatt und Eigenrecherche. © Bildnachweis BR/Ralf Wilschewski, hr/Horst-Peter Antonin, MDR/Martin Jehnichen, NDR/David Paprocki, Radio Bremen/Klaus Fittichen, rbb/Thomas Ernst, SR/Pasquale d'Angiolillo, SWR/Volker Oehl, WDR/Herby Sachs, ZDF, Deutschlandradio/Bettina Fürst-Fastré, WDR/Klaus Görgen


Ob der Rundfunkbeitrag grundgesetz- bzw. verfassungskonform ist (unabhängig von der Frage, wer dies definiert), ob es gerecht ist, dass NATO-Angehörige und Diplomaten keinen Beitrag zahlen müssen, ob die Vokabel „gleichberechtigt“ gerechtfertigt ist, wenn Menschen mit einer Behinderung den Beitrag zahlen müssen, oder ob Menschen, die gezielt kein elektronisches Medium nutzen, zur Finanzierung des Rundfunks gezwungen werden können bzw. ob jemand aus Gewissensgründen eine Selbstbeteiligung an der Finanzierung gelenkter Meinungsbildung ablehnen kann – all das würde keine Rolle spielen, wenn nur diejenigen für einen bestimmten Rundfunk-Typus zahlen, die diesen Typus auch befürworten. Ich bin mir sicher, es gibt genügend Fans, Freunde und Anhänger des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit dem von diesem Personenkreis zur Verfügung gestellten Budgetvolumen ergäbe sich die Möglichkeit, einen entsprechenden Rundfunk zu gestalten. 

Ich handele meinem Gewissen entsprechend und lehne die von Ihnen auferlegte Zahlungsverpflichtung in Form des Rundfunkbeitrages ab, da ich die psychologische Massenmanipulation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Rahmen der Meinungsvielfalt zwar hinnehmen muss, aber nicht die Verpflichtung zu deren Finanzierung, da diese für mich nicht nur eine mentale Demütigung, sondern auch einen zielgerichteten Akt darstellt, der sich gegen meine individuelle Selbstbestimmung richtet. 

Da Sie bisher nicht bereit waren, einen direkten inhaltlichen Dialog mit mir einzugehen, und ich die endlose Wiederholung von immer neuen Gebühren-/Beitragsbescheiden als nicht zielführend erachte, habe ich am 06.09.2013 beim Verwaltungsgericht Berlin eine entsprechende Untätigkeitsklage eingereicht. Über das weitere Vorgehen werden Sie und ich direkt durch das Verwaltungsgericht unterrichtet.

Untätigkeitsklage gegen den rbb, da seit über 4 Monaten noch kein Bescheid zum Widerspruch erfolgte. © Bildnachweis Faksimile des Originals


Um den aktuell gewünschten Formalitäten zu entsprechen, muss ich zu meinem eigenen Schutz auch Widerspruch gegen den 2. Gebühren-/Beitragsbescheid Ihrer Landesrundfunkanstalt vom 8. August 2013 erheben. Meine zur Begründung dienenden Tatsachen und Argumente liegen Ihnen mit den Schreiben vom 31. Dezember 2012, 20. Februar 2013, 5. April 2013, 1. Mai 2013 und mit dem heutigen Schreiben vor.

Zum Schluss möchte ich gern noch einmal auf Ihre Möglichkeit verweisen, diese Angelegenheit kraft Ihrer Befugnisse ohne großen Aufwand zu regeln, und Sie bitten, meine Befreiung aus Gewissensgründen zu ermöglichen. 


Freundliche Grüße

Olaf Kretschmann




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